Berlins Schulen werden in den nächsten Jahren mit einem Milliardenaufwand saniert und neu gebaut. Vieles wird sich, mindestens räumlich, ungeheuer verbessern. Die perfekte Schule für den Kiez gibt es aber nur, wenn die Stadtgesellschaft sich einbringt: mit ihren Ideen, ihrer Expertise, ihrer Leidenschaft. "Von selbst geschieht nichts – bitte mischen Sie sich ein!", sagt unsere Gastautorin Stefanie Remlinger.

Die Schulbauoffensive ist eine der größten Herausforderungen in der jüngeren Geschichte Berlins. Kommende Generationen werden an ihr festmachen können, dass in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts in Berlin ein Paradigmenwechsel stattfand: Weg von der Flurschule, hin zu einem Lern- und Teamhaus, das die Bedürfnisse moderner Pädagogik berücksichtigt. Das passiert auf drei Ebenen: Sanierung des Bestands, Erweiterungen vorhandener Plätze und Neubau in völlig neuer Qualität.

01 heiter Remlinger 72dpi neuStefanie Remlinger | Foto: Grüne Fraktion Berlin

Gerade dieses Qualitätsversprechen macht die Schulbauoffensive zum wohl größten Vorhaben des rot-rot-grünen Senats.

Das neue Berliner Lern- und Teamhaus, erarbeitet in einem breiten Beteiligungsprozess, ist ein beeindruckender Erfolg und Ausdruck eines großen Versprechens. Die neuen Schulen werden mehr pädagogische Fläche haben, mehr Möglichkeiten für wechselnde Unterrichtsformen und die Rhythmisierung. Besonders wichtig finde ich, dass für das pädagogische Personal endlich richtige Teamräume vorgesehen sind.

Mögliche Nutzer müssen sich beteiligen

Wir haben uns als Koalition aber noch mehr vorgenommen. Wir wollen schauen, welche Funktion die Schulen in ihrem Kiez haben, was alles rund um die neuen Standorte fehlt und gegebenenfalls mit dem Schulbau kombiniert werden sollte. Das kann eine Kita sein oder ein Jugendclub, vielleicht aber auch ein Familienzentrum oder eine Sozial- und Gesundheitsberatung. Dies alles über den Schulbau zu finanzieren, wird nicht möglich sein und kann nur realisiert werden, wenn weitere Nutzer*innen ihr Interesse anmelden und sich beteiligen.

Das gilt zum Beispiel für die Schulküchen. Derzeit sind – gegen den Willen von uns Grünen – Küchen geplant, in denen man nicht kochen, sondern nur angeliefertes Essen aufwärmen kann. Das ist eine verlorene Chance in einer Zeit, in der gesunde Ernährung und Ernährungsbildung immer wichtiger werden.

Vieles andere ist denkbar: Fehlen uns in der wachsenden Stadt nicht vielleicht Stadtteilbibliotheken, Gemeinschaftsgärten oder Musikschulräume? Hier gilt es, neue Synergien zu schaffen. Ein zusätzlicher Anteil an städtischen Bibliotheken kann helfen, das Personalproblem der Schulbibliotheken zu lösen. Vernachlässigte Schulgärten könnten durch Nachbarschaftshilfe unterstützt werden und so ein Ort des Miteinanders von Generationen sein, wo Wissen weiter gegeben wird und alte Pflanzensorten gepflegt werden.

Musik an allen Schulen

Und nicht zuletzt das Thema Musik. Wir wünschen uns, dass an allen Schulen musiziert wird, dass Musik und Bewegung fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit sind. Warum nicht mit den Musikschulen zusammenarbeiten? Auch sie klagen über Raummangel in der wachsenden Stadt, in vielen Bezirken gibt es lange Wartelisten für Musikunterricht.
Der Landesmusikbeirat hat einen Vorstoß in diese Richtung gewagt und jüngst ein Papier vorgelegt.

Das alles lässt aus meiner Sicht nur einen Schluss zu: Die Bedeutung von Schulen als Zentren des gesellschaftlichen Miteinanders an den neuen Standorten kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie müssen noch stärker unterstützt und besser ausgestattet werden.

Selbstverständlich ist allerdings auch: Wenn Schule diese vielen verschiedenen Funktionen in einem Sozialraum haben soll, dann müssen die praktischen Voraussetzungen klar geregelt sein. Der Schulbetrieb darf nicht gestört werden und Schulleitung und Lehrkräfte nicht für Organisatorisches missbraucht werden. Wird die Schule zum Campus, braucht sie Hausmeister bzw. Standortmanager*innen. Denn Details wie Raumvergabe oder Vermietung müssen gemanagt werden und entscheiden darüber, ob das Miteinander als bereichernd empfunden wird. Dazu gehört, auch die baulichen Details frühzeitig zu diskutieren.  Der Zugang von außen darf nicht am fehlenden Schließsystem scheitern oder daran, dass Räume in einem schwer zugänglichen Gebäudeteil untergebracht sind.

Historisch einmaliges Fenster

Der Zeitpunkt, um all diese Fragen zu diskutieren, ist jetzt. Es bietet sich uns ein historisch einmaliges Fenster. Üblicherweise entsteht in einer Kommune ein neuer Standort pro Generation - wenn überhaupt. In Berlin gehen wir derzeit von 80 neuen Standorten aus. Sie werden das Gesicht vieler Stadtteile prägen. Nicht an jedem Standort wird sich alles verwirklichen lassen. Der Neubau bietet uns eine einmalige Chance, die Schule für Generationen neu zu gestalten.

Obwohl diese Diskussionen jetzt notwendig sind, werden sie noch nicht überall geführt. Ein Neustart für mehr Qualität im Schulbau kann nur gelingen, wenn er von den Schulen und Nachbarschaften in den Kiezen gewünscht und gefordert wird. Die Bezirke sind in der Verantwortung, die Wünsche, Bedarfe und Möglichkeiten zu sortieren. Dazu sollte es entsprechende Beteiligungsverfahren geben. Nur wenn die Bezirke dafür kämpfen, wird auch der Senat es unterstützen, dass unsere neuen Schulen sich in den sozialen Raum öffnen.

Von selbst geschieht nichts – bitte mischen Sie sich ein!

Stefanie Remlinger
ist seit September 2011 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie ist Sprecherin für berufliche Bildung und Bildungsfinanzierung sowie Sprecherin für Haushaltspolitik.

stefanie-remlinger.de

Zu unserem Artikel "Schulbau in Berlin: eine Aufgabe für die Stadtgesellschaft"

 

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