Die Bildungsverwaltung hat zwei Expertengremien berufen. Einen Beirat zum Thema Digitalisierung, einen anderen zum Thema Unterrichtsqualität. Eltern sind in keinem der beiden Gruppen vertreten. Der Landeselternausschuss protestiert – und macht Versäumnisse beim Breitbandausbau transparent.

Anhand einer interaktiven Karte zeigt Elternvertreter Thomas Tursics, wie unterschiedlich einzelne Schulen und auch die Berliner Bezirke bezüglich ihrer Bandbreiten aufgestellt sind. Nach einer eigenen Auswertung auf Basis von Kleinen Anfragen des Abgeordneten Mario Czaja kann in 42% der allgemeinbildenden Schulen nur eine einzige Videokonferenz gleichzeitig gestreamt werden. Grund sei die unlängst verschlafene Ausschreibung von Breitbandglasfaseranschlüssen für die Berliner Schulen. „Es deutet sich aktuell an, dass die Vergabe im Spätsommer 2021 abgeschlossen sein könnte“, schreibt das Elterngremium in einer Erklärung. Auf den ersten Blick lasse sich erkennen, dass es hier deutlichen Nachholbedarf gebe, damit die Digitalisierung überhaupt starten kann.

Tursics Karte Digitalisierung

Die Karte Zeigt: Die Differenzen zwischen den Bezirken sind groß. Charlottenburg-Wilmersdorf bildet mit 78% langsamen Internetanschlüssen das Schlusslicht in Berlin. Das ließe sich schnell ändern, sagt Thomas Tursics. Der Bezirk müsse nur bessere Verträge mit der Deutschen Telekom abschließen, die flächendeckend ein deutlich schnelleres Netz anbiete.

Auf der anderen Seite steht Spandau von allen Bezirken am besten da. Dreiviertel der Schulen, zeigt Elternvertreter Tursics, sind mit sehr schnellem Internetanschlüssen angebunden. „Vor über zwei Jahren wurde entschieden, dass die Schulen in Spandau über das TV-Kabelnetz von Vodafone mit Internet versorgt werden sollen. Das bringt die meiste Download-Geschwindigkeit und macht aktuell die ungleiche Internet-Verteilung in Berlin aus.“

Die anderen Regionen haben unterschiedlich hohen Nachholbedarf. Langsames Internet ist in vielen Schulen traurige Realität. Verblüffend: Zwei Bezirke, Mitte und Steglitz-Zehlendorf, geben für ein Fünftel bzw. ein Viertel ihrer Schulen an, dass sie nicht wissen, welche Anschlüsse hier anliegen.

Trotz der fachlichen Expertise und der schon länger bestehenden Forderung nach einem beratenden Gremium ist der Landeselternausschuss nicht Teil des „Landesbeirates Digitalisierung“. Hier vertreten sind: Christian Thomsen (Präsident der TU Berlin), Angela Behns-Vespermann (Siemens Professionell Education), Stephan Breidbach (Humboldt-Universität), Jacob Chammon (Forum Bildung Digitalisierung), Ralph Hippe ( Joint Research Centre, European Commission), Odej Kao (Einstein Center Digital Future), Jens Klessmann (Fraunhofer-Institut Fokus), Christiane Mücke (Vize-Schulleiterin der Martin-Buber-Oberschule, Spandau) und Arnd Niedermöller (Schulleiter Immanuel-Kant-Gymnasium, Lichtenberg) sowie leitende Mitarbeiter der Bildungsverwaltung.

Auftrag der Fachleute ist eine „Strategie der Schule in der digitalen Welt“ auszuarbeiten. Ein zentraler Punkt ist, „die pädagogischen und die administrativen Anforderungen zusammenzudenken“. Eine umfassende Strategie schließe digitales Lehren und Lernen und Medienbildung genauso ein wie die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse sowie die Datensicherheit und bedarfsgerechte Fortbildungsangebote.

Der Landeselternausschuss sieht konkreten Handlungsbedarf beim landeseigenen „Lernraum Berlin“, der „quasi über Nacht“ zur Lernplattform für viele Schulen geworden sei. „Mit kleinen Startproblemen, ob des plötzlichen Ansturms, hat sich der Lernraum Berlin zu einer verlässlichen Grundlage für digitale Angebote von Lehrkräften für die Schüler entwickelt. Es schlummert jedoch noch viel Potenzial im Lernraum, das es zu heben gilt“, sagen die Eltern. Weitere Baustellen sehen sie in der Schaffung von Rechtssicherheit für Schulen in der Frage der einsetzbaren Programme und digitalen Tools.

Und sie bemängeln die Zusammensetzung des Beirates, in dem beispielsweise Personen aus dem Grundschulbereich oder Menschen mit Behinderungen fehlen – und auch keine Eltern sitzen. In vielen Schulen werde die Expertise der Elternschaft gern genutzt, deshalb sei es unverständlich, warum der Landeselternausschuss nicht in den Beirat berufen wurde. „Wir möchten die Interessen der Eltern auch in diesem Beirat vertreten und fordern die Senatsbildungsverwaltung auf, uns ebenfalls in das Gremium zu berufen“.

Senatorin Sandra Scheeres brachte in dieser Woche einen weiteren Beirat auf den Weg, der sich der Frage nach der Qualität des Unterrichts widmen soll. Dem Expertengremium gehören unter anderem an: der ehemalige Hamburger Staatsrat Michael Voges,  Petra Stanat aus dem Institut zur Qualitätssicherung im Bildungswesen, Felicitas Thiel aus der FU, oder Rahel Dreyer aus der Alice Salomon Hochschule Berlin.
Aus der Bildungspraxis sind nur Schulleitungen vorgesehen, keine Lehrkräfte. Auch Elternvertreter sind zur Mitarbeit nicht eingeladen.

 

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit (Karl Valentin)

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