So unterschiedlich wie fünf Oppositionsanträge zur Schuldenbremse sind am Montag während einer Anhörung im Haushaltsausschuss auch die Stellungnahmen der Sachverständigen zur Neuverschuldung für Investitionen ausgefallen.

Die Fraktion Die Linke drängt in ihren Anträgen auf eine Investitionspflicht, will die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz streichen und eine Investitionswende herbeiführen. Die FDP-Fraktion setzt sich hingegen für das Festhalten an der Schuldenbremse ein. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht sich für Neuverschuldung insbesondere zwecks Investitionen in den Klimaschutz stark.

Professor Peter Bofinger (Universität Würzburg) schlug als pragmatische Lösung ein zunächst auf zehn Jahre festgelegtes, kreditfinanziertes Zukunftsprogramm vor. Dies könne durch eine Änderung des Grundgesetzes erreicht werden, bei der für die Mittel zur Durchführung des Programms eine Ausnahme von der Schuldenbremse festgelegt wird. Damit werde ein großes Potenzial für Zukunftsinvestitionen eröffnet, ohne dass es zu negativen Effekten auf die im internationalen Vergleich äußerst niedrige Schuldenstandsquote käme. Ausdrücklich verwies Bofinger auf die epochale Herausforderung des Klimawandels.

Professor Thiess Büttner (Universität Erlangen-Nürnberg) machte geltend, die Nachhaltigkeit öffentlicher Ausgaben könne keineswegs durch eine Investitionspflicht oder eine formale Investitionsregel gesichert werden. Laut Bundesrechnungshof hätten viele Investitionsprojekte keinen nennenswerten Nutzen gestiftet und nicht zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beigetragen. Würde der Bundestag für Investitionsausgaben eine bestimmte Höhe oder einen bestimmten Anteil am Haushalt festlegen, würde er sich - anders als bei der Begrenzung der Verschuldung - ohne Not in der Wahl geeigneter Instrumente bei der Erfüllung seiner Aufgaben beschränken. Die Bedarfe-Daten seien unzureichend.

Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung befand, ein Festhalten an den aktuellen Regeln der Schuldenbremse sei zum Schutz künftiger Generationen nicht notwendig und möglicherweise schädlich. Ein Unterlassen der kreditfinanzierten Investitionen schränke die Spielräume künftiger Generationen sogar ein, legte er dar. Die Politik müsse langfristig wirksame Maßnahmen ergreifen, beispielsweise die Ausbildung von mehr Fachkräften fördern.

Namens des Bundesrechnungshofs sprach sich Dieter Hugo gegen eine Aufweichung oder gar Streichung der geltenden grundgesetzlichen Schuldenregel zugunsten öffentlicher Investitionen aus. So sei die durchschnittliche Investitionsquote im Bundeshaushalt zwischen 2011 und 2020 gegenüber der Dekade davor sogar um fast ein Viertel gestiegen. Überdies zeige ein Blick auf den Haushaltsvollzug des Bundes, dass es nicht an unzureichend veranschlagten Mitteln für investive Vorhaben mangele, sondern an deren zeitnaher Verwendung.

Nach Ansicht der Deutschen Bundesbank hat sich die Schuldenbremse bewährt. Sie für zu geringe Investitionen verantwortlich zu machen, scheine nicht gerechtfertigt, meinte Stephan Kohns. Vielmehr hätten im relevanten Zeitraum umfangreiche Finanzmittel zur Verfügung gestanden. Bund, Länder und Gemeinden hätten seit einigen Jahren Überschüsse zu verzeichnen, die teilweise sogar sehr hoch seien.
Professor Tom Krebs (Universität Mannheim) verwies auf Investitionsstau und zukünftige wirtschaftliche Herausforderungen, die einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Investitionen geschaffen hätten. Allerdings sehe er starre Investitionsregeln kritisch. Kommunen und Länder seien bei Investitionen besonders gefordert. Wegen der strikten Schuldenbremsen der Länder müssten voraussichtlich zusätzliche Steuereinnahmen für die Länder generiert werden - zum Beispiel durch eine Reaktivierung der Vermögensteuer oder eine Reform der Erbschaftsteuer.

Professor Dirk Meyer (Universität der Bundeswehr in Hamburg) sprach sich gegen eine Abschaffung der Schuldenbremse und einen Bundesinvestitionsfonds aus. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen Investitionsstau und Schuldenbremse. Ihre Aufhebung würde gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit verstoßen. Der Fonds als Sondervermögen neben dem Kernhaushalt wäre mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung, mit einem föderalen Bundesstaat und mit demokratisch-haushaltsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Professor Christoph M. Schmidt (RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) legte in seiner schriftlichen Stellungnahme ein Augenmerk auf das Instrument des Investitionsfonds: Die Umgehung der Schuldenbremse durch ein Sondervermögen wäre ein verheerendes Signal für die Fiskaldisziplin in Europa. Speziell die Klimapolitik könne kein Argument für die Einrichtung eines Sondervermögens sein. Der Löwenanteil der klimafreundlichen Investitionen werde von privaten Akteuren getätigt.

Professor Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen vertrat die Ansicht, dass grundsätzlich eine etwas höhere Verschuldung zum Zweck öffentlicher Investitionen sinnvoll sein könne, ebenso wie zur Konjunkturstabilisierung. Eine niedrigere Verschuldung sei einer höheren Verschuldung nicht eindeutig vorzuziehen. Stattdessen solle das angestrebte Verschuldungsniveau das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Entscheidung sein. Truger verwies beispielsweise auf einen erhöhten Bedarf an Schulen.

Professor Volker Wieland (Universität Frankfurt) hob hervor, dass eine Trendumkehr bei der Staatsverschuldung erst im Zusammenspiel von schwarzer Null und Schuldenbremse gelungen sei. Die entscheidende und angemessene Haltelinie sei für die Zukunft die konjunkturbereinigte Schuldenbremse, die zusätzlich Ausnahmen für tiefe Rezessionen erlaube. Sie motiviere eine politische Prioritätensetzung, da sie nicht zwischen unterschiedlichen Ausgaben unterscheide. Eine Änderung der Investitionspolitik halte er nicht für nötig, sagte Wieland.

Quelle: Heute im Bundestag (hib) vom 2.3.2020

 

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