Buch macht kluch. Das gilt auch für das „ElternBuch“ aus dem Beltz-Verlag.  Das dicke Buch erschlägt einen fast, doch der Praxistest zeigt: Der umfassende Ratgeber ist ein nützlicher Begleiter durchs Elternsein.

Das Elternbuch | Beltz-VerlagJa, sind die denn noch zu retten? „Erziehungsrat von 50 Top-Wissenschaftlern“, die uns Eltern erklären, „wie unsere Kinder geborgen aufwachsen und stark werden.“ 50 Artikel zu allen Altersstufen von 0 bis 18 Jahren – das ist doch etwas für Leute, die gerne planen und passend zur jeweiligen Entwicklungsstufe das Buch aus dem Regal nehmen und weiterlesen. Für Menschen, die wissen möchten, was auf sie zu kommt. Die werdenden Mütter und Väter können anfangen bei „Ich bin schwanger! Wie soll ich damit umgehen?“, sich weiter beschäftigen mit Krippe, Kita und Schule – um dann ab Seite 433 festzustellen, dass Eltern mit Pubertierenden NUR Probleme haben: Verhaltensauffälligkeiten, Drogen, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Jugendkriminalität, Extremismus.

Will uns da jemand entmutigen? So viele Themen auf über 600 Seiten – ist das sinnvoll? Wir schalten in den Trotzmodus: Kinn hoch, Schulter nach vorn. Woll’n doch mal seh’n, was die einer Mutter von fünf Kindern im Alter von 8 bis 16 Jahren zu erzählen haben.

Das Ergebnis überrascht. Die Wissenschaftler finden, von wenigen Ausnahmen abgesehen,  eine verständliche und lesbare Sprache. Die weiteren „“Theoretisch und vor allem pädagogisch reflektierten Professionellen“ gehen sparsam mit Handlungsempfehlungen um. Die Aufmachung setzt sich angenehm von der üblichen Ratgeberliteratur ab. Telefonnummern, Internetadressen, Anlaufstellen – Fehlanzeige. Es geht allein um die sachliche Beschreibung eines Erziehungsthemas. Das Buch soll, sagen die Herausgeber, „Eltern ermutigen, den kleineren und größeren Problemen, die jede Elternschaft mit sich bringt, mit kluger Gelassenheit, also selbstbewusst und kompetent, mit einem Blick auf das Wesentliche zu begegnen.“

Das ist gelungen. Beispiel Nachhilfe: Autor Eiko Jürgens verzichtet in seinem Beitrag über Nachhilfeunterricht und Schule auf das übliche Gejammer über schlechten Unterricht, mangelndes Lehrerinteresse, Unterrichtsausfall und die Ungerechtigkeit des Systems. Erfrischend wissenschaftlich geht es zur Sache: Klärung des Begriffs, Verbreitung von Nachhilfeunterricht, Fächer, Motive und Ursachen, Wirkungen. Wir lernen: Ein Drittel bis die Hälfte der Schüler in Deutschland ist schon mal ergänzend zum Unterricht außerhalb der Schule unterrichtet worden. Über 80 Prozent der Schüler haben sich um mindestens eine Note verbessert. Weitere positive Effekte. Zum Schluss die „Prüfkriterien für geeignete Nachhilfe.“ Mehr braucht man nicht zum Weiterdenken.

Erziehung, das zeigt sich ganz deutlich, ist kein Abarbeiten von Entwicklungsschritten, sondern ein langer Prozess. Bestimmte Themen tauchen mehrmals auf, um die Ernährung beispielsweise geht es im Kapitel über die Schwangerschaft, im Beitrag über das „Abenteuer Essen“ mit Kleinkindern, im Aufsatz über „Ernährung und Gesundheit“ und endet schließlich bei den Esstörungen.

Den schönen Satz „Kinder spüren an Gesten, Bemerkungen, Haltungen wie Eltern einander schätzen oder auch abwerten in dem was sie tun und was sie sind“ findet man im Beitrag von Elisabeth Raffauf über Aufklärung und Pubertät. Er hätte genauso gut an jeder anderen Stelle dieses Buches stehen können. „Gehen sie liebevoll oder abfällig miteinander um? Können ihre Rollen im Haushalt, bei der Kinderbetreuung, bei der Arbeit auch mal wechseln? Gelten sie als gleichwertig? An Eltern können Kinder in einer vertrauensvollen, geschützten Atmosphäre ausprobieren“. Starke Kinder brauchen starke Eltern, die wissen was sie tun. Das Elternbuch kann seinen Teil zur Kompetenz beitragen.

Und für alle, die tatsächlich gerne planen und bei „Null“ anfangen: Stöbern und Querlesen lohnt sich. Denn es kommt wirklich alles: Kranksein, Schlafen, Grenzen und Disziplin, Schulwahl, Hochbegabung, ADS, Drogen und Sucht… - wenn nicht in der eigenen Familie, dann in der Schulklasse oder im Freundeskreis.

Das ElternBuch - Wie unsere Kinder geborgen aufwachsen und stark werden
Sabine Andresen, Micha Brumlik, Claus Koch (Hrsg.)
mit Illustrationen von Philip Waechter
1. Auflage 2010, 636 Seiten, gebunden.
Beltz-Verlag, 29,95 €
ISBN 978-3-407-85863-4

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